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S-Pedelecs in der Schweiz

Definition "S-Pedelec"

Die gängigen S-Pedelecs sind gemäss Gesetz "Motorfahrräder" (Fahrzeugkategorie M). Die Definition lautet: "Einplätzige, einspurige Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von höchstens 30 km/h, einer Motorleistung von insgesamt höchstens 1 kW und ... elektrischem Antrieb sowie einer allfälligen Tretunterstützung, die bis höchstens 45 km/h wirkt"

VTS Art. 18 Bst. a

Typengenehmigung

Eine Typengenehmigung ist erforderlich. Das heisst, dass das S-Pedelec bei der zuständigen Behörde vorgeführt und geprüft wurde.

TGV Anh. 1 Ziff. 1.1

Aufgrund der Typengenehmigung ist es nicht erlaubt, das S-Pedelec uneingeschränkt umzubauen. Viele Teile dürfen nicht oder nur mit Freigabe des Herstellers verändert werden (z. B. Beleuchtung, Lenker, Vorbau, Motor, Sensoren, Bremsanlage etc.) Schon beim Wechsel von Sattel oder Pedalen kann unter Umständen die Zulassung erlöschen. Daher am besten den Händler kontaktieren, bevor ihr etwas am Fahrzeug verändert.

Fahrberechtigung

Personen ab 14 Jahren mit einem Führerschein der Kategorie M oder höher (A1, A, B etc.) dürfen S-Pedelecs fahren.

VZV Art. 3 Abs. 3
VZV Art. 6 Abs. 1 Bst. a

Fahrzeugpapiere

Der Fahrzeugausweis des zuständigen Strassenverkehrsamtes muss immer mitgeführt werden.

VZV Art. 91 Abs. 4

Kennzeichen

Das Fahrzeug muss über ein Kontrollschild verfügen und ist damit beim zuständigen Strassenverkehrsamt registriert.

VZV Art. 90

In der Schweiz ist es weit verbreitet, dass Fahrer von S-Pedelecs das Kontrollschild seitlich am Fahrzeug oder komplett versteckt (unter dem Gepäckträger, hinter dem Akku etc.) montieren. Dies wird als Kavaliersdelikt erachtet, ist jedoch verboten.

VTS Art. 176 Abs. 4

Versicherung

S-Pedelecs sind nur zum Verkehr zugelassen, wenn das Kontrollschild mit einer gültigen Kontrollmarke (Versicherungsvignette) versehen ist. Diese kostet ca. CHF 40 bis 60 pro Kalenderjahr und ist jeweils vom 1. Januar bis zum 31. Mai des Folgejahres gültig.

VZV Art. 90

Der Versicherungsschutz durch die Vignette entspricht ausschliesslich einer Haftpflichtversicherung. Diebstahl, Vandalismus, selbstverschuldete Schäden etc. sind damit nicht versichert. Dafür muss bei Bedarf bei einem entsprechenden Anbieter eine Versicherung abgeschlossen werden.

Hauptuntersuchung / Motorfahrzeugkontrolle

Das Fahrzeug muss keinen regelmässigen Motorfahrzeugkontrollen unterzogen werden. Der ausgestellte Fahrzeugausweis ist zeitlich uneingeschränkt gültig.

Eine entsprechende Kontrolle kann behördlich angeordnet werden, wenn der Verdacht besteht, dass das Fahrzeug nicht verkehrstauglich ist oder nicht erlaubte Änderungen am S-Pedelec vorgenommen wurden.

Obligatorische Ausrüstung

Bei S-Pedelecs gibt es verschiedene Komponenten, welche für die Zulassung vorhanden sein müssen:


Die Liste ist nicht abschliessend. Es gibt natürlich auch Vorschriften zu Rädern, Rahmen, Bremsen etc. Teilweise sind genaue Anforderungen für die einzelnen Komponenten geregelt, weshalb sie nich einfach gegen andere Komponenten ausgetauscht werden dürfen.

Da ein Grossteil der in der Schweiz verkauften S-Pedelecs für den EU-Markt produziert wird und es sich für die Hersteller nicht lohnt, für die Schweiz ein eigenes Modell herzustellen, findet man häufig auch Komponenten und Funktionen an den Fahrzeugen, welche in der Schweiz nicht obligatorisch sind. Dies sind beispielsweise Tagfahrlicht, Bremslicht und Hupe. Auch wenn diese Komponenten in der Schweiz nicht obligatorisch sind, dürfen sie nicht einfach abmontiert oder deaktiviert werden, da dies eine technische Änderung darstellen kann und somit die Zulassung erlöscht.

Helmtragepflicht


Ja. Der Helm muss nach Norm EN 1078 geprüft sein.

VRV Art. 3b Abs. 3 Bst. c

Kindersitz


Ein Kind darf auf einem sicheren Kindersitz mitfahren. Die Beine des Kindes müssen dabei geschützt sein. Der Fahrer des S-Pedelecs muss mindestens 16 Jahre alt sein.

VRV Art. 63 Abs. 4

Anhänger


Es dürfen Anhänger bis zu 80 kg Gesamtgewicht und einer maximalen Breite von 1 m gezogen werden.

VRV Art. 68 Abs. 7

Es gibt Vorschriften bezüglich Beleuchtung und Rückstrahler.

VTS Art. 210 Abs. 2

Zudem müssen Vorschriften zu überhängender Ladung, Ladungssicherung (inkl. Wegwehen von Ladungsgut), Ladungsschwerpunkt, Transport von Tieren und deren Ausscheidungen etc. eingehalten werden. Mit gesundem Menschenverstand sollten diese Vorschriften auch eingehalten werden können, ohne die Gesetzestexte auswendig zu lernen.

SVG Art. 30 Abs. 2
VRV Art. 58 Abs. 1
VRV Art. 73
VRV Art. 74 Abs. 1

Bis zu zwei Kinder dürfen auf geschützten Sitzplätzen (mit Gurt) in einem Fahrradanhänger mitfahren. Hierfür muss der Fahrer des S-Pedelecs mindestens 16 Jahre alt sein.

VRV Art. 63 Abs. 3 Bst. b

Strassenverkehr


Es müssen die für normale Fahrräder vorgesehenen Fahrstreifen und Fahrbahnen (insbesondere Radwege) benutzt werden.

SSV Art. 33 Abs. 1

Grundsätzlich dürfen und müssen S-Pedelecs auf allen Flächen fahren, auf denen ein normales Fahrrad benutzt werden darf bzw. muss. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind die S-Pedelecs in der Schweiz weitestgehend den Fahrrädern gleichgestellt.

VRV Art. 42 Abs. 4
SVG Art. 46 Abs. 1

Somit ist das fahren mit S-Pedelecs überall dort erlaubt, wo die Nutzung nicht durch eine entsprechende Beschilderung explizit verboten ist. Es gibt aber natürlich Ausnahmen. Dazu gehören Trottoirs (Bürgersteige) und "Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind". Diese Definition lässt sich natürlich sehr individuell interpretieren. Bisher habe ich keine Rechtsprechung dazu gefunden.

SVG Art. 43 Abs. 1
SVG Art. 43 Abs. 2

Obwohl in dem Gesetz Wander- und Fusswege namentlich genannt werden, können nach aktueller Rechtsauffassung auch diese durchaus zur Befahrung geeignet sein und müssen im Zweifelsfall mit einem Fahrverbot signalisiert sein (siehe "Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts", René Schaffhauser, 2002, Seite 426).

S-Pedelecs dürfen auch auf Strassen benutzt werden, bei denen die Durchfahrt für Motorfahrräder verboten ist, sofern der Motor ausgeschaltet ist.

SSV Art. 19 Abs. 1 Bst. c

Signalisation


Mit folgenden Schildern gekennzeichnete Strassen dürfen mit dem S-Pedelec nicht befahren werden.

    

Mit folgenden Schildern gekennzeichnete Strassen dürfen mit dem S-Pedelec nur mit abgeschaltetem Motor befahren werden.

    

Mit blauen Schildern gekennzeichnete Radwege müssen von S-Pedelec Fahrern benutzt werden. Gibt es einen Radweg, darf eine parallel dazu verlaufende (Haupt-)Strasse nicht benutzt werden.

        

Dunkelrote Wegweiser mit einem Fahrradsymbol zeigen für Fahrräder (und S-Pedelecs) optimierte Routen. Hier besteht keine Nutzungspflicht. Üblicherweise lohnt es sich aber landschaftlich und im Sinne der Sicherheit.

Bussgelder

Der Bussgeldkatalog für S-Pedelecs umfasst in der Schweiz ca. 40 Punkte, welche pro Verstoss mit CHF 20 bis 120 zu Buche schlagen.

Über CHF 60 kostet es nur, wenn man mit einem nicht versicherten oder nicht angemeldeten S-Pedelec unterwegs ist. CHF 60 werden fällig, wenn man eine rote Ampel überfährt oder nachts auf unbeleuchteten Strassen ohne Licht fährt.

Alle anderen Verstösse kosten CHF 20 bis 40. Neben den offensichtlichen Verstössen wie das Nichtbeachten der Verkehrsregeln, gibt es auch weniger offensichtliche Vorschriften, die mit Bussen bestraft werden können:

  • Loslassen des Lenkers (CHF 20)
  • Loslassen der Pedale (CHF 20)
  • Überholen einer stehenden Autokolonne durch Slalomfahren (CHF 20)
  • Sich ziehen, stossen oder schleppen lassen (CHF 20)
  • Fahren mit nicht gut lesbarem Kontrollschild (CHF 20)
  • Mangelhafter Zustand des Reifens (CHF 20)

Durchsetzung der Gesetze

Gebüsst wird selten bis nie. Ungefährliche Vergehen wie die falsche Montage des Kontrollschilds wie auch grobfahrlässiges und gefährdendes Verhalten von S-Pedelec-Fahrern werden von der Polizei im Normalfall geduldet und durch demonstrativ passives Verhalten gefördert.

Rote Ampeln, Fahrverbote, Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fussgängerstreifen werden von vielen S-Pedelec-Fahrern systematisch missachtet. Das klischeehafte "Fahrradkurier-Verhalten", welches früher vereinzelt im Strassenverkehr zu sehen war (von Fahrradprofis, die ihr Fahrzeug unter Kontrolle hatten), ist heute im Minutentakt in den Schweizer Städten sichtbar. Viele S-Pedelec-Fahrer verstehen nicht, dass sie nicht auf einem normalen Fahrrad sitzen und unterschätzen das Gefahrenpotenzial für sich und die Mitmenschen. Für andere, häufig ungeübte und unbeholfene Fahrer, ist das teure "neue" S-Pedelec ein Statussymbol. Sie bringen ihre S-Pedelecs bei jeder sich bietenden Gelegenheit demonstrativ bis an die Leistungsgrenze, ohne Rücksicht auf Verluste und sehen sich in einem rechtsfreien Raum. Leider werden sie in dieser Annahme bestätigt, da die geltenden Regeln auf Kosten der anderen Verkehrsteilnehmer nicht durchgesetzt werden.

Ausländische S-Pedelecs


Ausländische S-Pedelecs dürfen in der Schweiz benutzt werden, wenn sie im Zulassungsstaat verkehrsberechtigt sind und der Fahrer im Zulassungsstaat eine Fahrerlaubnis dafür hat.

VZV Art. 114

Abgrenzung

Auf dieser Website werden ausschliesslich Themen zum "S-Pedelec" (auch "Speed-Pedelec", "schnelles E-Bike", "45er E-Bike" genannt) behandelt. Die normalen Pedelecs (bis 25 km/h Tretunterstützung) sind üblicherweise den Fahrrädern ohne Tretunterstützung gleichgestellt, was eine Diskussion von rechtlichen Themen im vorliegenden Rahmen überflüssig macht.

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